Zittauer Studenten
SAGENHAFTES
Über einen der beiden Ziel-Bahnhöfe der Zittauer Schmalspurbahn Oybin
gibt es sagenhafte Geschichten:
1 ) Ausgrabungen auf dem Oybin widerlegen die Legende vom Geheimgang
nach Zittau. In Oybin endet eigentlich alles - das Streckennetz der Bahn,
die Region Oberlausitz - Niederschlesien, Sachsen, Deutschland, die
Europäische Union. Hätte man sich nicht ziemlich gesichertes Wissen von der Welt
als Kugel angeeignet, man würde glatt vermuten, dass man jenseits der nicht weit
entfernten Lausitzer Neiße ins Weltall fallen würde.Der südöstlichste Winkel Ost-
Deutschlands liegt in einer Falte der Grenzlinie zu Tschechien, in der er mitsamt
dem Zittauer Gebirge, dem mit 15 Quadratkilometern Fläche kleinsten deutschen
Mittelgebirge, hingerutscht zu sein scheint. Während die bizarre Felsenwelt des
Elbsandsteingebirges, das von Dresden aus sogar mit der S-Bahn zu erreichen ist,
jährlich zweieinhalb Millionen Menschen anlockt, kommen in das im Dreiländereck
gelegene Zittauer Gebirge, dieses beschauliche Sandstein-massiv im Kleinformat,
nur rund 100.000 Menschen. Einige von ihnen reisen auf der mit Dampf betriebenen
Schmalspurbahn an, die über eine halbe Stunde braucht, um die 8 Kilometer
zwischen Zittau und Oybin zurückzulegen. Glaubt man den Beteuerungen so
manchen Zittauers, dann gibt es noch eine andere Möglichkeit, auf den Burgberg
von Oybin zu gelangen. Es soll nämlich - so die sich hartnäckig haltende Legende -
einen geheimen unterirdischen Gang geben, der direkt vom Berg Oybin in den
Zittauer “Cölestiner Keller”, eine Gaststätte, führt. Im Mittelalter hätten die Mönche,
die auf dem Berg im Kloster lebten, diesen Gang benutzt, um ungesehen nach
Zittau zu gelangen. Nun haben aber auch nach drei Jahren intensiver Arbeit die
Mitarbeiter des sächsischen Landesamtes für Archäologie, die die 1992 begonnenen
Sanierungsarbeiten auf dem Oybin seit 1997 kontinuierlich begleiten, nichts
gefunden, was auf einen solchen Verbindungsweg schliessen lässt. Es gibt
allerdings, insofern steckt auch in der Tunnellegende ein Körnchen Wahrheit, einen
Fluchtgang, der zwar nicht bis nach Zittau, immerhin aber bis in den Hausgrund zu
Füßen des Berges führt. Ein “Tunnel of Love” ist es aber nicht. Freilich: Die
Ausbeute der Archäologen ist neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen so
schlecht nicht. In der Wache am unteren Torturm fand man zahlreiche
figürlich verzierte Ofenkachelscherben, darunter Darstellungen des heiligen Georgs
und so genannte Rosenkacheln. Die Burg Oybin ist bereits seit der Romantik ein
beliebtes Ausflugsziel. Die auf einem eindrucksvollen Tafelberg aus Kreidesandstein
liegende Ruine war für Maler wie Caspar David Friedrich oder Carl Gustav Carus,
der etwa das verträumte Bild “Der Friedhof auf dem Oybin” schuf, ein beliebtes
Motiv. Bereits zur Zeit der ausgehenden Lausitzer Kultur (2200 bis 750 vor Christus)
gab es auf dem Berg eine Höhensiedlung, die im unterhalb gelegenen Hausgrund
durch einen heute noch erkennbaren Sperrwall gesichert wurde. Karl Preusker, der
Vater der sächsischen Landesarchäologie, vermutete in der Anlage entsprechend
den zeitgenössischen Deutungen vieler Bergsiedlungen sowie alter Wall- und
Wehranlagen zunächst einen Opferplatz, von dem allerdings erst seit Mitte des
18. Jahrhunderts urgeschichtliche Funde überliefert sind.
2 ) Die mittelalterliche Nutzung des Berges begann nach einer späteren
Schriftquelle 1256 nach Christus.Im Jahr 1310 erhielt Heinrich von Leipa, der
oberste Marschall von Böhmen, das Zittauer Land als Lehen und ließ - man gönnte
sich ja sonst nichts - die ältere, vermutlich bescheidene Anlage auf dem Berg Oybin
zu einer steinernen Burg ausbauen.
Von dieser sind heute ein Wohnturm (hier befindet sich derzeit ein Museum),
zwei Tortürme und ein Teil der Wehrmauer erhalten. Nach mehrfachem
Besitzerwechsel gelangten Burg und Land 1346 an den böhmischen König Johann.
Die ihm nachfolgende “Erbengemeinschaft” umfasste nur seinen Sohn, der als
Kaiser Karl der Vierte die Geschicke des Reiches lenkte, Prag zur Metropole erkor
sowie die Burg von Oybin nochmals ausbauen ließ. Die Burg lag günstig zwischen
zwei mittelalterlichen Wegverbindungen, die Teil der Route von den Handelsplätzen
an der Ostsee nach Prag und weiter Richtung Venedig waren. Zwei Jahre später
stiftete Karl in seiner kaiserlichen Güte ein Cölestiner-Kloster, dessen Kirche von
1366 bis 1384 durch die Prager Dombauhütte unter Peter Parler errichtet wurde.
Die Kombination von Burg und Kloster ist einmalig in Deutschland. Ebenso
ungewöhnlich ist der heute noch genutzte Bergfriedhof, der vermutlich bis in die
Gründungszeit des Klosters zurückreicht. Das Kloster überstand zwei Belagerungen
durch die Hussiten 1420 und 1429, wurde aber als Folge der Reformation 1556
aufgegeben. Aufgrund eines Blitzeinschlages kam es 1577 zu einem achttägigen
Brand der Gebäude, in den folgenden Jahrhunderten verfiel dann die ganze
Anlage. Im Rahmen der Ausgrabungen während der Sanierungsmaßnahmen legten
die Mitarbeiter des Landesamtes für Archäologie 1998 zwei Tonnengewölbe, zwei
weitere kleine Räume und ein Treppe frei, die bislang weitgehend unbekannt
waren. Über den Gewölben befand sich je ein Obergeschoss mit Fußböden aus
Sandsteinplatten oder Ziegeln. Im Fall der nördlichen Wehrmauer, die zusammen
mit einer weiteren Mauer den nördlichen Teil des Berges, der nicht Burg war, vom
südlichen abtrennt, konnte man feststellen, dass Teile dieser mehrphasigen
Wehrmauer deutlich jünger sind als bislang angenommen. Rückschläge gab es
allerdings auch: In einem Gebäude am Ostende jener Mauer, das man zunächst für
einen Turm gehalten hatte, entdeckte man reichlich Scherbenmaterial. Dieses
glaubte man bereits gut datieren zu können, bis man schließlich auf eine
Konservendose stieß, die sich altersmäßig nicht bestimmen ließ und definitiv auch
nicht recyclebar ist.
Quelle:
Thüringer Allgemeine vom 27. 12. 2000
Autor : Christian RUF, Dresden
© dieser ganze kram wurde vom einzigen öng nördlich des äquators geschaffen
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